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Oman

Die Küsten des Oman.

Wir fahren durchs Niemandsland, haben eben die UAE in Hatta in Richtung Oman verlassen und sehen ein riesiges Zollgebäude. 15 Spuren können gleichzeitig abgefertigt werden. Nur haben wir seit Minuten kein anderes Fahrzeug gesehen, das die Grenze übertreten will. Wir halten an – kein Mensch da. Und fahren durch. War‘s das?

Da sind wir nun also. Ziemlich verlassen dieser Oman, weil mal wieder Freitag. Also Sonntag auf islamisch.

Natürlich nicht. Doch viel komplizierter wird‘s nicht. Erste Station: Auto- und Warenkontrolle. Ein netter Chat mit den Zollbeamten und Bewunderung über das Gefährt. Carnet wird abgestempelt.

Zweite Station: Covid-Zertifikat zeigen. Ausländische Touristen müssen vor der Einreise ein Online-Formular ausfüllen, via QR-Code ein App validieren und und und. Dies gilt allerdings nur für die Ankunft am Flughafen. Auf dem Landweg gelten andere Regeln, die sind jedoch nur für Einwohner der Golfstaaten definiert. Grauzone also für uns. Wir zeigen das Schweizer Zertifikat und einen aktuellen PCR-Test – und werden durch gewunken.

Dritte Station: Die Pass- und Visumskontrolle. Easy – auch weil die Englishkenntnisse des Grenzbeamten limitiert sind, Stempel drauf und drin sind wir. Nach nicht mal 30 Minuten. Im Oman. Mit unserem Reisegespann. Unserer Familie. Yes.

Yeeees.

Wir sind angekommen.

Die Strassen im Oman? 1a. Solange es hat. Sonst holprige Pisten oder weiche Dünen. Ein Paradies für Familienoffroader wie uns. Und wenn’s mal nicht weiter geht: immer ein Beduine oder kommuner Omani zur Stelle mit Hand, Fuss und Erfahrung.

Das erste Mal: Am Strand.

So geschehen an unserem ersten Stellplatz am Strand in Saham in der Nähe von Sohar. Ein relativ dicht besiedeltes Gebiet im fruchtbaren Nordosten des Landes. Wir also überglücklich nach längerer Fahrt einen ruhigen (immerhin, einen einsamen haben wir bereits aufgegeben) Platz am Strand gefunden zu haben. Mit Spielplatz, abgehalftert, vor sich hin rostend. Wir installieren uns. Da geht es keine 10 Minuten und wir sind umringt. Nicht von neugierigen, sondern freitaggeniessenden Familien. Wir Anfänger. Wir hätten es wissen müssen, dass am Freitag (dem hiesigen Sonntag) jeder Quadratmeter Strand in Beschlag genommen wird.

Und ja, wenn dann schon mal Touristen (in dieser Region eher eine Seltenheit) da sind, auch diese. Wir werden überhäuft mit Früchten, Süssigkeiten und Getränken. Nicht übertrieben: Unser Tisch ist plötzlich reich gedeckt.

Um 19 Uhr ist der soziale Spuk vorbei. Wir geniessen unser Essen und machen uns bald schon mal bereit fürs Bett. Scho, im Fall, im Zelt lebt man mehr nach der Sonne. Vor allem der Morgen bzw. die Morgensonne ist taktgebend. Doch während wir unsere Abendtoilette machen nähern sich Scheinwerfer. Das Auto hält keine 10 Meter neben uns und entlädt sich. Neben gefühlt einem mobilen Restaurant eine Grossfamilie mit mindestens 10 Personen. Und obwohl ich sonst eher kommunikativ bin, verziehe ich mich beim Auftauchen des nächsten Scheinwerferpaars (und es folgen noch weitere) ins Dachzelt. Larisa – mit Jaron bereits im Trailer einquartiert – wird einige Minuten später heraus geklopft: Die Familie nebenan hat ihr einen Teller mit warmen Speisen auf unseren Tisch gestellt! Um Mitternach geht auch dieser Spuk so schnell vorbei wie er aufgetaucht ist. Und wir finden unseren Schlaf.

Der Freitagabend-Match inkl. Picknick.

Das erste Mal: Im Sand.

Am Morgen dann packen wir unsere 7 213 Sachen und fahren los gen Süden. Mich allerdings juckt’s unter den Nägeln: Wir sind am Strand mit viel Sand. Da muss eine erste Fahrt in den Sand erlaubt sein. Anhänger abgekoppelt, Larisa (beinahe) überzeugt, die Kinder angeschnallt – und los geht‘s.

Die ersten 100 Meter sind kritisch, fast bleiben wir stecken. Ich reagiere mit mehr Gas und wildem Steuern in der Hoffnung noch etwas festeren Grund unter die Räder zu kriegen. Was mir auch gelingt. Stolzer Blick zu Larisa auf dem Beifahrersitz. Wird nur dürftig bestätigt.

Dann werde ich mutig und will nah ans Meer – oh, wir spulen, schnell raus, ab in Richtung Land und dann – geht nichts mehr. Wir stecken fest. Aber so richtig, mit allen Vieren. Im feinfeuchten Muschelsand. Etwas verlegener Blick nach rechts. Larisa wortlos, allerdings nur um die passenden Kraftausdrücke nach Schlagkraft zu sortieren. Ich hechte, Schaufel ebenfalls raus und digge als ob mein Bandscheibenvorfall nie vorgefallen wäre.

Doch da sind sie auch schon: Die so hilfsbereiten Omani. Zwei Männer beraten, legen die Sandbleche und 10 MInuten später sind wir draussen. Die ersten beiden Schweizer Sackmesser sind verschenkt und eine erste private Hotlinenummer für Notfälle im Oman als Kontakt gespeichert. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass uns ein Bewohner des Landes aus der Patsche hilft. Ich hoffe nur, dass ihm gleiches Widerfahren wird, sollte er sich mal in der Schweiz in einer misslichen Lage befinden.

Muskat. Die Hauptstadt.

Was im Oman fehlt? Wolkenkratzer. Und in Muskat wird dies richtig deutlich. Eine schöne, weisse Stadt, welche sich entlang der Küste und der nahen Hügel ausbreitet. Der vor wenigen Jahren verstorbene Sultan Qabus bin Said mag ein Herrscher gewesen sein, doch hat er wichtige und weitsichtige Entscheide für die Zukunft des Landes und der Bevölkerung getroffen. Er investierte in Schulen, Spitäler und Strassen mindestens gleichermassen wie in teuer Paläste und persönliche Spielzeuge. Und jeder Omani erhält als Geschenk eine Parzelle Land als Startkapital. Fehlt ihm das Geld um darauf ein Haus zu bauen, so erhält er ein Haus ab Stange dazu.

Und Muskat erscheint uns als Sinnbild dieser Politik: Trotz der Grösse überschaubar, bescheiden mit ausgewählten prunk-, aber stilvollen Bauten. Die Leute stolz, zufrieden und äusserst zuvorkommend. Keine erdrückende Armut, dafür beste Infrastruktur. Diese nutzen wir auch um unsere Karawane zu komplettieren. Wir besorgen uns einen handlichen Gastank, eine UV-Lampe (hier erfahrt ihr wofür) sowie Tipps, was wir im Oman auf keinen Fall verpassen dürfen. Dazu kontaktieren wir Oliver von Active Oman. Spontan erklärt er sich bereit uns zu treffen (danke dir nochmals, Oliver) – und sein Tipp wird zu unserem persönlichen Highlight: Bar al-Hikman. Doch dazu später mehr.

Was uns auch gefällt: Das alte Muskat – in einer schönen kleinen Bucht gelegen – ist vom Modernismus verschont worden. Ebenso Mutrah, ein Fischerstädtchen zwischen Alt- und Neu-Muskat. Hier ist das (vermutete) traditionelle Leben der Omanis noch zum Greifen nah. Mal abgesehen von den Privatjachten des Sultans.

Für uns jedoch das Eindrücklichste: Die überwältigende Sultan al-Qabos Moschee (wer hätte einen anderen Namen erwartet? ;). Schon der Garten und die Vorhöfe sind äusserst beeindruckend, wer dann jedoch den Gebetsraum (der Männer, versteht sich) betritt wird wahrlich überwältigt (momoll, rechtfertigt den doppelten Gebrauch des Worts) von der Grösse und Schönheit der Architektur. Einflüsse aus aller Welt, stilsicher und harmonisch zusammengefügt. Ein(!) Teppich, grösser als ein Fussballfeld, ein Kronleuchter schwerer als ein LKW, und eine Kuppel, unter welcher mehr als 6’000 Gläubige Platz finden – hier finden sich dann doch noch ein paar Superlative.

Fins.

Die Küste zwischen Muskat und Sur ist meist von Klippen, zwischendurch von kleinen Sand- (oder sollen wir, im Vergleich zu den feinen Stränden weiter im Süden schreiben: Kies-) Stränden geprägt. Die Strassen, auch Highways, gleichen einer Achterbahn. Allah sei akbar, wem hier die Bremsen versagen. Hier erkennen wir auch wie vielschichtig die Berge des Omans sind. Und dies ist für einmal nicht nur positiv gemeint. Lockeres Gestein, beinahe Schutt zwischen Lagen etwas härteren Gesteins: Die Grundlage für Tiefe Wadis (Täler) und feinkörnige Wüsten.

Nahe des Dörfchen Fins lassen wir uns für einige Tage ob einer Klippe nieder. Und kommen zur Ruhe. Nutzen die Fischerrute für (spannende, letztlich leider erfolglose) Schwungübungen. Machen kurze Ausflüge ins wunderschöne – auch weil touristisch wenig erschlossene – Wadi Shab oder das Sinkhole von Bimmah. Oder spielen während des Wasser-Tankens mit der Dorfjugend.

„Wir sind angekommen.“

Sagen wir uns zufrieden. Zum hundertsten Mal. Jetzt aber wirklich.

Ras al Hadd / al Jinz / ar Ru’ays.

Der östlichste Zipfel des Oman (und genau, der ganzen arabischen Halbinsel) ist Schildkröten-Territorium. Hierhin kommen sie, um ihre Eier abzulegen. Und dazu nehmen sie einiges in Kauf. Zuweilen 1000+ Kilometer, in Schildkröten-Reisezeit ausgedrückt: bis zu 3 Jahre. Die Eiablage im Sand dann scheint ebenfalls eine eher mühselige, wenn auch für uns Menschen eine sehr eindrückliche Angelegenheit zu sein. Schwerfällige, behäbige Wesen, die sie sind. Umso erleichternder dann (auch für uns Betrachtende), wenn sie dann wieder in ihrem Element, dem Wasser sind.

Ein Besuch des Turtle Reserve lohnt sich daher allemal. Auch wenn zu den Besuchszeiten (21 Uhr und 5 Uhr) reger Andrang herrscht. In unserem Falle von Touristen. Die Schildkröten hingegen machen sich rar. Am Ende erweist uns eine die Ehre, immerhin. Im Sommer sollen es jeweils 100+ sein. Das zugehörige, überteuerte Hotel hingegen lassen wir aus – und finden im nahen Turtle Guest House äusserst sympathische Gastgeber.

Da sich grosse Teile dieser Küste im Schildkröten-Schutzgebiet befinden, sind diese Strände für Camper gesperrt. Wir finden dann etwas weiter im Süden in Ras ar Ru’ays einen Stellplatz a la Omani direkt am Meer. Mit Hut und Wassertank, ready für die Lieblingsbeschäftigung der Bevölkerung: Das Campen.

Bar al Hikman.

Nach unserem gescheiterten Versuch die Wahiba-Wüste zu durchqueren (Beitrag folgt), fahren wir entlang der Ostküste nach Süden. Die Fahrt allein lohnt sich. Landschaften wechseln sich ab, diverse Variationen von Wüste und Steppe, welche im vertrauten Orange-Rot der Wahiba münden – was nicht weiter erstaunt, fahren wir doch entlang dieser Wüste. Die Insel Masirah lassen wir aus, vielmehr wurde uns von Oliver und weiteren Guides die Lagune von Bar al Hikman als Geheimtipp empfohlen.

Wir sind bereits einige Stunden unterwegs, die Kinder wieder eingeschlafen (zu unserem Glück) als wir den Abzweiger von der Hauptstrasse nach Bar al Hikman erreichen. Der Untergrund wechselt zur freigebaggerten Piste, die Wellblechformation moderat. Ein weiterer Abzweiger und nun befinden wir uns auf weiter Flur. Die Piste zuweilen 100 Meter breit, durchzogen von 1000 Spuren und 10‘000 Fahrmöglichkeiten. Ab und an erwischen wir gute Passagen, dann wieder wird das Auto minutenlang kräftigst getestet. Und erst der Anhänger – wenn wir mal wieder eine Wellenpartie übersehen, bei Tempo 60.  Schotter, Sand und Salz wechseln sich ab. Wie froh sind wir, dass wir die lädierte Feder der Hinterachse ersetzen lassen haben. Andernfalls gäbe es hier kein Durchkommen. Die Stunde Fahrzeit fühlt sich wie ein Vielfaches davon an. Für uns. Für die Kinder dagegen wie ein Bruchteil – sie überschlafen die Zäsur.

Doch die Fahrt lohnt sich. Die Lagune ist ein Traum (und für Oman-Verhältnisse relativ schwach mit Plastikmüll verschmutzt). Wir machen auf dem mehrere Kilometer langen Stretch gerade mal 3 weitere Zelte aus. Und auch wenn‘s nur ca. 50 Kilometer zum nächsten Dörfchen sind: die Piste und absolut unbewohnbare Landschaft dazwischen lassen uns so entfernt von der Zivilisation wie noch nie fühlen. Ein wunderbares Gefühl – welches, das muss ich zugeben, in gewissen Momenten jedoch schon auch sanftes Unbehagen auslöst. Was ist, wenn Noam oder Jaron nun etwas zustösst? Sie auf einen Igelfisch treten? Ein dummer Unfall passiert? Ganz unglücklich über das Wissen ob der Zelte in der Nachbarschaft sind wir doch nicht.

Ali, ein Local, der in einem solchen Camp haust, fährt uns am nächsten Tag mit dem einzigen Motorboot der Lagune zum Korallenriff. Wir schnorcheln, üben die Hand-und-Fuss-Sprache sowie etwas Arabisch. Und bangen einige Minuten, als der Motor für die Rückfahrt nicht mehr anspringen will. Gemeinsam und vermutlich mit Allahs Hilfe (Ali jedenfalls rief ihn einige Male an) will er dann doch noch. Der Ausflug (vielleicht auch: die heile Rückkehr) wird mit einem gemeinsamen Essen mit seinen Verwandten besiegelt. Unvergessliche Momente für uns alle.

Etwas wehmütig brechen wir nach 4 Tagen auf. Im Wissen darum, dass wir ein solch Paradies lange nicht mehr erleben werden.

Eine Lagune wie aus dem Bilderbuch. Oh wir Glücklichen.

Sugar Dunes.

Geht‘s noch schöner? Wir zweifeln. Machen uns aber doch auf den Weg in den Süden Richtung Sugar Dunes (nahe Al Khaluf). Unsere bisherigen Navigationserfolge, zuweilen auch abseits der markierten Pisten, machen uns mutig und so queren wir die Strecke möglichst direkt. Was uns einmal mehr gehöriges Holpern, Spulen, Luft-Ablassen und Bangen in diversen Variationen verschafft. Als dann die Piste endet – nur wenige hundert Meter vor einer asphaltierten Strasse – weil im Laufe der Jahre versandet und mit meterhohen Dünen übersät, sind wir kurz vor dem Aufgeben. Ein kurzer (Reko-)Spaziergang jedoch beruhigt die Gemüter der 2 – 45 Jährigen. Und wenig später finden wir eine machbare Route parallel zu den Dünen.

Unsere Ess- und Wasservorräte sind zur Neige gegangen und so setzen wir auf die zwei einzigen Ortschaften Filim und Al Khaluf. Erstere entpuppt sich als Kleinstdörfchen ohne jegliche Läden. Immerhin füllt uns ein riesiger Tankwagen (32‘000l) unseren Tank (80l) quasi en passant. Übrigens eine weitere, sehr sympathische Eigenheit des Omans: Wasser gibt‘s überall. Jede Moschee bietet Trinkwasser an und die blauen, grünen und gelben Tankwagen oder auch Tankstationen füllen die Tanks von Durstigen kostenlos.

Es muss also Al Khaluf sein. Das kleine Fischerstädtchen – wahrlich keine Schönheit – bietet immerhin einen kleinen Minimarkt, welcher unser Vorräte für zwei weitere Tage aufstocken lässt. Und so machen wir uns bei Sonnenuntergang auf den Weg zu den vielgerühmten Sugar Dunes.

Es ist bereits stockfinster als wir parkieren. Zur Rechten hören wir das Meer, zur Linken vermuten wir den Zucker. Gewissheit bringt erst der Morgen. Und tatsächlich: Wir haben grad noch die letzte Düne erwischt. Schneeweiss und wunderschön ins Landesinnere mäandrierend (endlich kann ich dieses Wort mal halbwegs sinnvoll verwenden) mit Blick auf endlose Strände und ein türkisblaues Meer.

Scho no schön. Meer, Strand und Sand, Sand, Sand.

(Und trotzdem: Bar al Hikman bleibt unser Favorit. Der Abgeschiedenheit, Tierwelt und Unberührtheit wegen ;).