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Saudi Arabien

Saudi Arabia rocks.

Blenden wir sie für diesen Beitrag aus, die politische Situation. Die Frauen- und Menschen-Unrechte. Und öffnen die Augen für die Natur und Menschen, wie wir sie vor Ort kennen und entdecken lernen. Weil: Beide sind überwältigend.

Niemand weiss so genau, was da (und ob da jemand) auf uns wartet.

Unsere Erwartungen.

Sand und Stein in allen erdenklichen Arten und Kombinationen. Wobei wir uns als Nicht-Wüsten-Bewohnende gerade mal etwa drei Kombinationen vorstellen können. Dann noch: dekadente Scheichs mit rot-weissen Tüchern auf dem Kopf. Rundumverschleierte Frauen (oft auch im Verhältnis n:1 pro Scheich). Und dann noch Malls, Falken und Kamele (siehe auch Wild Wild East).

Und weil wir uns zumindest minimal auf dieses Land vorbereitet haben wissen wir, dass es zudem noch ein Hochland (entlang der Westküste) sowie eine Grabstätte der Nabatäer (Al-Ula) gibt. Und die Gastfreundschaft unbeschreiblich sein soll – obwohl, oder vielleicht auch gerade weil der Tourismus noch in den Kinderschuhen steckt.

.. werden erfüllt.

Die Wüstenkombos können wir bereits nach unserer (An-)Fahrt durch die Rub al-Khali mehr als abhaken. Bei unserer Ankunft in der Hauptstadt des Landes, zeigt sich Riyadh von seiner wüsten Seite. Sandfarbener Himmel, heiss, staubig, heruntergekommen. Der Scheich an der Rezeption ist distanziert, die Scheich-Gäste wortkarg bis ignorant. Und Frauen sind weder im Hotel noch im öffentlichen Leben existent. Und wenn wir schon dabei sind: Gibt es überhaupt ein öffentliches Leben in dieser Stadt? Der nächste ATM/Supermarkt/Laundry ist Luftlinie gerade mal 500m entfernt, kann aber wegen 6-spurigen Strassen nicht zu Fuss und mit dem Auto nur auf kilometerlangen Umwegen erreicht werden. Ganz ehrlich? Wir wünschen uns gerade den Oman mit seinen freundlichen Bewohnern und beschaulichen Städten zurück. Und bekunden Mühe bei der Vorstellung, dass wir nun sechs Wochen durch dieses Land reisen sollen.

„Wie soll eine Stadt gesellig und modern sein, wenn sich die Hälfte der Bevölkerung (genau, die weibliche) darin nicht zeigen kann?“

Was wir uns so fragen (Part I).

Skip Riyadh?

Der Blick aus dem 7. Stock des Hotels am nächsten Tag zeigt die Misere. Vom Sand und Dunst gelb-grau gefärbter Himmel, flache, lieblose Häuser mit Klimaanlagen und Wassertanks auf dem Dach – soweit das Auge blickt. Wegen des Sanddunstes nur unscharf zu erkennen: ferne Umrisse der von einer modernen Grossstadt erwarteten ikonischen Hochhäuser. Gleich neben uns das Verteidigungsministerium. Notabene jenes Gebäude, welches vor wenigen Jahren durch Drohnen der Huthi erfolgreich beschossen wurde. Nein, das alles hilft nicht das Image dieses Landes aufzuwerten. Doch wir wollen nicht so sein und geben uns einen Ruck. Mindestens das National Museum und den Flaschenöffner von Norman Foster aka the Kindom Tower (wie sonst? Was im Oman „Sultan Quabos“, in Dubai „Sheik Maktoum“ und Abu Dhabi „Sheik Zayed“ ist in KSA einer der vielzähligen Könige oder eben schlicht das Königreich: Der Namensgeber schlechthin.) wollen wir sehen.

(Subjektives) Sinnbild für Riyadh. Will modern sein, aber das Leben/Feuer ist noch loading...

„Wie soll eine Stadt attraktiv und lebenswert sein, wenn nur ein Bruchteil der Bevölkerung von den Annehmlichkeiten profitieren kann?“

Was wir uns so fragen (Part II).

Um es kurz zu fassen: Das National Museum ist ein Lichtblick. Sehr ansprechend präsentiert, umfangreich und trotzdem kurzweilig. Eingebettet in schöne Architektur und eine schöne Parkanlage. Gibt ein Pluspunkt. Der Kingdom Tower ist in sich stimmig und die Aussicht auf der Skybridge, welche einen quasi durch den Hacken des Öffners gehen lässt, umfassend. Doch der schmale Streifen zwischen zwei Königsstrassen (what else), der einige moderne, aufstrebende Bauten (unter anderem eben den Kingdom Tower) enthält, offenbart vielmehr: Riyadh ist vor allem eine sich breit machende, sandfarbene Stadt, übersät mit Bauruinen und -stellen. Die historische und aus Lehmziegeln erbaute Stadt Diriyah bringt’s aktuell gerade auf den Punkt: Eine riesige Baustelle (ca. 4 mal 4 Kilometer gross) soll aus den Lehmruinen ein luxuriöses, erlebbares und zweifelsohne fantastisch präsentiertes Museum machen. Wir sehen leider nur Hunderte von Arbeitsemigranten aus Pakistan und Bangladesh und schick bedruckte Stellwände.

Also, raus aufs Land.

Zum Edge of the World. Der Begriff „Abbruch“ hat hier glücklicherweise eine andere Bedeutung. Im Laufe der Jahrtausende haben sich durch Erosion scharfe, zum Teil mehrere hundert Meter hohe Gesteinskanten gebildet. Die wollen wir sehen – trotz Höhenangst. Wir kennen den (Strassen-)Verlauf solcher Ausflüge inzwischen: Auf Highway folgt Überland-, dann Landstrasse, folgen Schlaglöcher, brutale, nicht markierte Schwellen, folgt Schotter, folgen Wellblechpisten abgewechselt von Sand, Geröll und ausgetrockneten Flussbett-Passagen. Touristische Infrastruktur wie Schilder, Infomaterial, Geländer oder Abfalleimer fehlen. Man ist auf sich allein gestellt und das hat seinen Reiz.

Das denken sich auch das portugiesische Pärchen sowie die drei Phillipinos, welche jeweils mit ihren Mietwagen den eben beschriebenen Strassenverlauf in Angriff nehmen. Wir treffen sie auf Stufe Wellblechpiste und beschliessen sie mit unserem etwas besser ausgerüsteten Mobil zu begleiten. Beim Übergang zu Geröll treffen wir auf zwei hilflos wirkende Schweden. Sie wollen mit ihrem Mietwagen kein weiteres Risiko eingehen und suchen eine Mitfahrgelegenheit. Kein Problem: Die insgesamt 11 Personen verteilen sich bestens auf die 3 Autos. Und während wir so werweissen ob nun der Mut oder Versicherungsschutz ausschlaggebend für die tollkühne Mietwagenausfahrt der beiden begleitenden Fahrzeuge ist, endet die Fahrt 5 km vor dem Ziel abrupt.

Da waren's auch schon 11. Härtetest bestanden.

The End Edge of the World.

Da vor wenigen Monaten zwei Autos über die Kanten des Edge of the World schossen (siehe mangelnde Infrastruktur) und es mehrere Tote gab haben die Behörden reagiert. Und zwar so, wie man das in Saudi Arabien macht (was allerdings angesichts der Grösse des Landes und Komplexität des Vorhabens durchaus nachvollziehbar ist): Man schüttet meterhohe Wälle auf und verhindert so ein Weiterkommen. Wir finden eine Route durch ein kleines Tobel und nach kurzer Beratschlagung ist entschieden: Die Mietwagen bleiben stehen, unser Auto und Trailer wird zur vollbesetzten Karawane und fährt weiter.

Im Nachhinein (und für die Zukunft) wissen wir: Der auf der Tank-Kiste des Trailers Sitzende ist nicht zu beneiden (Staub und Geholper), während die Plätze auf dem Dachträger (fliehkräftiges Geholper) und im Trailer (Geholper und Hitze) der mittleren Komfortklasse zuzuordnen sind. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir den nächsten – und diesmal unüber/nebenwindbaren – Wall.

Zu Fuss erreichen wir zu elft unser Ziel und es sind uns noch einige Minuten Aussicht bei Tageslicht vergönnt. Während wir an dieser Stelle für zwei Nächte unser Camp aufstellen, beginnt für die Portugiesen, Schweden und Phillipinos das Abenteuer erst so richtig. Die Rückfahrt mit ihren Mietwagen bei Dunkelheit. Kurz vor Mitternacht erhalten wir per Messenger die Nachricht: Sie haben es alle geschafft. Total des verrechneten Schadens durch den Mietwagenverleiher: CHF 40.-. Hat sich also definitiv gelohnt.

Mir wird schon beim Drohnenflug schwindelig. Larisa hingegen kommt auf den Insta-Inszenier-Geschmack.

Bei der Fahrt aus Riyadh in Richtung Westen wird uns klar: Es werden Saudi Arabiens Landschaften sein, welche uns überwältigen. Kurzer Exkurs (in den Worten eines Rookie-Geologen) gefällig? Die arabische Halbinsel ist eine Erdplatte. Sie hat sich im Westen bis auf 3000m erhoben und flacht gen Osten/zum Persischen Golf kontinuierlich bis auf Meereshöhe ab. Wir fahren nun also stetig bergwärts und durchfahren damit verschiedene Gesteinsschichten. Das wäre irgendwie alles völlig unspannend, wenn die sichtbaren Folgen nicht derart spektakulär wären.

Wir enthalten uns aktuell Einschätzungen zu politischen Themen. Mit bestem Gewissen aber können wir die Headline unterschreiben: Saudi Arabiens Steine rocken.

Der Riyadh-Mekka Highway / Tuwaiq

Eigentlich bloss eine Autobahn. Ok, nicht irgendeine, führt sie doch in die heilige Stadt Mekka. Wir aber kommen kaum mehr aus dem Staunen heraus: Die Fahrt aus der Stadt heraus gleicht einer Achterbahn durch Wadis, um und durch Hügel und schlussendlich über einen gewaltigen Felsabbruch hinunter in die Ebene. Diese 8-spurige Abfahrt (die Saudis aber nutzen mindestens 14 Spuren) führt auf 2 Kilometern ca. 200 Höhenmeter in die Tiefe – mit spektakulären Aussichten. Unvorstellbar, welche Massen an Gestein dazu bewegt werden mussten. Und gut vorstellbar, wie viele Unfälle in Folge des saudischen Fahrstils und der Wartung der überalterten und -ladenen Lastwagen sich hier ereignen.

Der Jabal Baloum

Wir haben ihn von oben gesehen (Edge of the world, ca. 250km entfernt), durchfahren (Mekka Highway, ca. 150km entfernt) und an diesem Stellplatz weilen wir unter ihm. Das zeigt die schiere Grösse des abfallenden Tuwaiq-Felsplateaus um Riyadh. Und man könnte dem gleichen Felsabbruch nochmals für 200km in den Süden folgen. Dazwischen immer wieder alternierende Formen von Wüste (roter, gelber Sand, Gestein, mit/ohne Vegetation). Nur eines bleibt: Die Hitze. Und wir bewegen uns merklich auf Pisten abseits der – sowieso sehr spärlichen – Touristenströme (Rinnsals?), zuweilen auch der Zivilisation. Es kommt vor, dass wir eine halbe Stunde kein einziges Fahrzeug kreuzen – auf Asphaltstrassen, versteht sich.

Vermutlich ein Paradies für Geologen. Ganz bestimmt eines für Overlander.

Die Granitberge (nahe Aba al Akwan)

Was passiert, wenn über Jahrtausende Sandstein abgetragen wird und die darunter liegenden Granitblöcke freigelegt und geschliffen werden? Dann entsteht unser Traum-Stellplatz. Fernab der touristischen Highlights (auf der Route Riyadh – Bisha) finden wir eben diese skurrilen Hügel – verteilt über mehrere dutzend Kilometer. In jedem erkennt man Tiere und Gestalten, wenige Meter bis zu mehreren hundert Metern gross, in der Anmutung jedoch einem Kieselstein gleich. Und um unser Glück noch perfekt zu machen, zieht am dritten Tag eine Kamelherde an unserem Camp vorbei. Tage wie aus dem und ganz bestimmt fürs Bilderbuch.

Oh, wie haben wir sie in unsere Herzen geschlossen, diese Granit-Hubbel.

Das Asir-Gebirge (nahe Bani Amr)

Der Höhenmesser steigt kontinuierlich bei unserer Fahrt gen Westen. Muss ja auch, schliesslich erwarten wir ein grünes, kühles Gebirge/Hochland: Das Asir-Gebirge erstreckt sich entlang der gesamten Westküste der arabischen Halbinsel (und wird im Norden durch das Hedschas-Gebirge abgelöst). Es reicht bis zu 3000m in die Höhe und fällt gegen die Westküste schroff auf (Rotes) Meereshöhe ab. Wir fahren der Strasse entlang des Grates zwischen Halaba und Al Salamah. Das Achterbahn-Gefühl stellt sich auch hier ein – allerdings nur bei Tempo 30, dafür mit unglaublichen Steigungen (und was danach zwangsläufig wieder folgt) und Ausblicken in die 2000m tiefer gelegene Ebene bzw. Einblicke und -hüllung in die Wolken, welche über den Gebirgskamm ziehen. Hier verbringen wir fantastisch erfrischende Tage und kriegen – obwohl ziemlich abgelegen – täglich mindestens drei Mal Besuch von Abdullah und seinen Freunden. Immer mit Geschenk, versteht sich. Wir schliessen ihn und die Dorfbevölkerung ins Herzen – schliesslich verpflegen sie uns, laden uns ein, ja bezahlen gar das Gemüse im Dorfladen. Einmal mehr sind wir überwältigt von diesem Land. Und immer mehr: von den Bewohnern.

Für Saudi-Verhältnisse: Krass grün. Und kühl.

“You don’t have to pay anymore. Enjoy your meal!”

Ein Wildfremder im Restaurant.

Vulkankrater um Hafir Kishb/Al Waba

Für diese Krater haben wir ein paar hundert Kilometer Umweg auf uns genommen. Zurück ins heisse Mittelland. Der Erfolgs- Druck ist also gross. Der Druck wird ähnlich gross gewesen sein, als die Krater durch massive Wasserdampf-Explosionen entstanden (Magma erhitzte Wasser im Untergrund). Sie erstrecken sich in ihrer Vielzahl über ein Feld von mehr als 1000km². Und das Beste dabei? Gerade mal ein Krater (Al Waba) ist minimal touristisch erschlossen. Bedeutet ca. 10 Inland und wenn’s hoch kommt 1 ausländischer Tourist am Tag.

Wir aber nutzen die Freiheit und fahren zu einem 40km entfernten, nur über (doch ziemlich mühselige) Pisten erreichbaren Krater. Der lokale Beduine gibt uns zu erkennen, dass wir darin campieren dürfen – was wir dann auch für 3 Tage tun. Und einmal mehr die Einsamkeit, eindrückliche Naturkulisse und Zeit mit der Familie geniessen.

Was Saudi Arabien sonst noch zu bieten und verbieten hat? Gerne berichten wir darüber. Im nächsten Beitrag.