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Container & Co.

Ziemlich verschifft.

Doch doch, wir haben unser Auto auch schon verschifft. Horgen – Meilen. Bei Wellengang. Kann also nicht viel umständlicher sein, wenn’s ein paar Kilometer nautische Meilen mehr sind, oder? So viel vorweg: Wenn man den richtigen Partner hat, geht man im Dokumenten-Meer zumindest nicht unter.

Mit dem Schiff ⇣.
Mit dem Auto ⇡.

Das ist die Idee. So können wir im Winter bei relativ milden Temperaturen die Wüstenstaaten erkunden. Und wenn‘s in Europa im Sommer wärmer wird den ausgedehnten Heimweg via Griechenland und Balkan antreten.

Klar, wir könnten auch beide Wege mit dem Auto machen. Laut Google knapp 65 Stunden Fahrzeit bis an den Persischen Golf. Doch wer Kinder hat weiss: Das gibt dann mindestens 20 Tage Reisezeit mit H/Motel-Unterkünften (da wir nicht für Wintercamping gerüstet sind), diverse Stresssituationen und als Folge noch mehr Eltern-Krisengipfel als Grenzübertritte. Und hey, man spult ja schliesslich auch nicht durch einen freudig erwarteten Film, um ihn anschliessend nochmals in Ruhe zu schauen, oder?

Doch, sollte passen. Aber ein 40-Zoll Container muss es sein.

RO/RO & CO.

Also mit dem Schiff. Und da gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Mit einem RO/RO- oder Containerschiff. Während bei letzterem alle Fracht in Container gestapelt auf monströsen Schiffen um die Welt manövriert wird, sind RO/RO-Schiffe (Roll-on/Roll-off) auf den Transport von Autos spezialisiert. Schliesslich müssen all die europäischen Qualitätsautos auch ihren Weg in die Weite der Welt finden. Und dieser beginnt meist auf dem Meer.

Glücklicherweise gibt es ab Genua einen (Grimaldi-) RO/RO-Service nach Ashdod in Israel. Und der Preis ist mit CHF 2’000.- vernünftig. Zumal ich als Passagier das Auto begleiten werde. Die Vorfreude ist gross – auch auf die 6 Tage Solitude und (vermutlicher verklärte) Frachtschiffromantik.

Aber es wäre ja zu einfach gewesen. Covid macht uns gleich doppelt einen Strich durch die Rechnung. Erstens werden auf den Schiffen keine Passagiere mehr zugelassen. Und zweitens ist unbekannt, ob Israel die Grenze für Touristen überhaupt öffnen wird.

Zu riskant, da wir unsere Reise sehr gerne mit Auto planen möchten.

Vorhang auf für Massimo Bianco

Und weil RO/RO für Normalsterbliche nicht in den Mittleren Osten angeboten wird, müssen wir unser Auto verpacken lassen. Als doch etwas digital affine Person hätte ich erwartet, dass es einfache Online-Services gibt, mittels welchen ich eine Strecke inkl. Container einfach buchen kann.

Jetzt weiss ich: Wir sind heilfroh, dass wir über gefühlt unendliches Weiterreichen verteilt über ganz Europa am Ende bei Massimo Bianco von der Spedition ITS (its-transport.ch) gelandet sind. Einem echten Menschen also. Notabene wieder in der Schweiz. Er berät uns umfassend und erfahren (weil selbst oft derart unterwegs) und zu nahezu jeder Uhrzeit (22 Uhr am Sonntagabend? Kein Problem. Um 22:15 kriege ich die Antwort. Ob er Freude hat, dass ich die Erwartungen für allfällige Neukunden so hoch schraube? ;). Fakt ist: Ohne ihn und sein Team würden wir jetzt wohl durch Mitteleuropa touren.

Ports of Call, kännsch no?

Ägypten, Israel, Jordanien oder die Emirate?

Doch welchen Hafen sollen wir ansteuern? Was kostet’s und wie lange dauert die Fahrt? Wie ist die Covid-Situation vor Ort und die Chance, dass wir überhaupt einreisen können? Massimo Bianco klärt es mit seinen Partnern vor Ort ab und die Antworten erfüllen so manches Clichee:

  • Ägypten (Alexandria):
    Wegen Feiertagen ist das Büro geschlossen. Später erfahren wir, dass die Einfuhr so kompliziert ist, dass die Beamten aktuell nicht mal selbst wissen, was genau zu tun ist.
  • Israel (Ashdod):
    Will als erstes wissen, wie lange wir bleiben, über welchen Grenzübergang wir ausreisen und diverse weitere Details. Bevor wir überhaupt eine Transport-Offerte erhalten.
  • Emirate (Jebel Ali, Dubai):
    Liefert innert 30 Minuten eine Offerte. Business first eben.
  • Jordanien (Aqaba):
    Wäre kooperativ und möglich. Allerdings mittels „Container-Umstieg“ in Jiddah. Und was uns davon abhielt. Sollte Saudi Arabien die Grenzen dicht machen, wären wir zwischen Israel, Syrien und dem Irak eingeschlossen.

„Frankly and directly speaking this trip sounds to me totally imaginary. The guy should do a lot of homework about his plans. To my opinion it is totally impossible.“

– Ettie, der Speditionspartner in Israel

Jebel Ali – ein sicherer Hafen.

Wir entscheiden rational: Jebel Ali/Dubai liegt entlang des internationalen Fracht-Highways. Wird also oft und relativ günstig angefahren. (Relativ weil: wir bezahlen in dieser Hochzeit der weltweiten Supply-Chain-Krise inkl. Anhänger knapp CHF 6’000.- all-in.). Und die Emirate schliessen ihre Grenzen als Letzte. Also eigentlich nie. Zudem liegen sie optimal gelegen zwischen Saudi Arabien, dem Oman und Iran – drei der Länder, welche wir besuchen wollen. So können wir flexibel reagieren, sollte ein Land wegen Covid die Grenzen dicht machen. Und sollte es nötig sein, lassen sich auch einige Tage Wartezeit angenehm überbrücken.

Es sollte, wie sich bald herausstellt.

Antwerpen. Antwerpen. Antwerpen.

Am 16. Dezember breche ich auf nach Antwerpen. Das Auto und der Trailer voll bepackt (und dann wieder teilweise entpackt, weil wir noch ein paar Kleider für die Tage der Anreise/des Wartens benötigen). Vor allem aber auch ausgerüstet mit allen möglichen Dokumenten, welche für die Ablieferung nötig sind:

  • dem Pass
  • den beiden Fahrzeugausweisen für das Auto und den Trailer.
  • den beiden Carnets de Passages, welche mir die freundliche (und aktuell wohl etwas unterbeschäftigte) Dame des TCS innert 3 Tagen ausgestellt und zugesendet hat. Was sonst gerne einige Wochen dauern kann.
  • einer Packliste für den Zoll (kompakt) und eine für die Versicherung (extended)
  • einen unterschriebenen Letter of Indemnity, der die Reederei im Falle eines Schadens schadlos halten soll. Nett.
  • einer laminierten Papier-Kopie unserer Nummernschilder, welche das Auto während der Schifffahrt zieren.

Das Auto ist rasch abgeliefert, die Rückfahrt im Zuge erstaunlich angenehm. Und die Vorfreude riesig. Denn jetzt geht’s endlich los:

Das grosse Warten.

Knappe 15 Tage soll der Container aus See sein, mit Stopps in Tanger und Jiddah. Am 26. Dezember verlässt das Schiff – ein 330m-Koloss namens Prague Express – den Hafen von Antwerpen. Nach Plan zumindest. In der Realität tuckert bzw. wartet das Schiff zu diesem Zeitpunkt noch im Roten Meer.

Wir hören die stau-und-verzögerungs-mahnenden Worte von Massimo Bianco. Aber glauben Glück zu haben und ohne grosse Verspätung durch zu kommen. Doch nun erhalten wir beinahe täglich Updates mit neuen Daten. Als wir ein erwartetes Ankunftsdatum von Anfang Februar errechnen sehen wir unsere Wüsten- und anderen Pläne dahin schmelzen (scho, im Fall, bei 40°) und reagieren flux: Wir buchen auf ein anderes Schiff um. Ein Chinesisches namens Xin Qing Dao mit netter Vergangenheit, aber dieses Risiko nehmen wir in Kauf.

Am 9. Januar 2022 dann endlich wird der Container verladen und die Xin Qing Dao nimmt Fahrt auf Richtung Jebel Ali (via Jiddah). Seither steigen die täglichen Zugriffsdaten auf das Tracking-Portal 🤓. Es scheint allerdings aktuell so, dass sich unsere Umbuchung nicht gelohnt hat – das ursprünglich vorgesehene Schiff hat die Nase wieder vorn..

Derweil warten wir in Dubai (bzw. Ajman, dem Emirat gleich nebenan). Doch es gibt wahrlich schlechtere Orte 🏖😎.

Jedes Schiff kommt irgendwann an. Jedes?