Menu

Oman

Ohhhman. Die Wüste.

Also. Jetzt gilt‘s ernst. Dafür sind wir gerüstet. Dafür haben wir uns gerüstet. Sandbleche und Schaufel, Untersetzung und Fahrwerk, Kompressor und Reifen. Ob es reicht?

Spiel mir das Lied des Todes-Remake 2022. So stellen wir uns Drama in der Wüste vor.

„Die Sahara ist die Mutter aller Wüsten (wegen ihrer schieren Grösse).

Die Rub al-Khali die hübsche Tochter (Sanddünen only).

Und die Rimal al Wahiba der Spielplatz für Anfänger (weil 100×150 km im Notfall auch zu Fuss gemeistert werden könnten, nicht?).“

Mit dieser Einstellung machen wir auf zur Shell-Tankstelle in Bidiyya, dem Treffpunkt für Wüstenwillige, Guides und Tanklastwagen. Unser Ziel ist die Querung der Wüste nach Süden über ca. 150 km, unser Navi (Gaia GPS) zeichnet dafür etliche Möglichkeiten. Da wir allerdings nicht genau wissen, was sich hinter der schwach gestrichelten Linie tatsächlich verbirgt, wollen wir behutsam vorgehen. Zudem haben wir Punkto Sandfahren (abgesehen von unserem Strand-Experiment) etwa soviel Erfahrung wie der durchschnittliche Omani mit Brettern im Pulverschnee. Daher springen wir über unseren Wir-schaffen-alles-allein-Schatten und wollen anbandeln.

Auf der Suche nach Gleichgesinnten.

Am liebsten mit einer anderen Familie. Die sozialen Kontakte von Noam und Jaron sind meist auf ein kurzes Winken und Lächeln beschränkt – wie cool wäre es in der heissen Wüste ein paar Tage mit gleichgesinnten Eltern und Kindern verbringen zu können? Zudem sollte man nie nur mit einem Fahrzeug in die Wüste aufbrechen. Doch wir werden enttäuscht. Die meisten Reisenden sind 60+ und haben die Kinder wohlweislich zuhause gelassen. Und, was uns erst jetzt klar wird: Das Kriterium Familie allein reicht nicht, es muss auch eine Familie mit eigenem (autarken) Fahrzeug sein. Da wir auf unserer gesamten bisherigen Reise noch keine einzige so reisende Familie angetroffen haben, ändern wir unseren Plan.

Salim, ein Beduine mit Landcruiser, bietet sich als Guide an. Wir handeln aus (für schlussendlich 30 OMR): Schöner Stellplatz ein paar Kilometer abseits der Zivilisation sowie ein stündiges Fahrtraining. Klingt übervorsichtig, aber hey, wenn du dann tatsächlich vor dem Sandmeer stehst und keine Ahnung hast, wie kräftig das Auto bzw. wie stark bremsend der Anhänger ist, dann hast du Verständnis für unser Vorhaben, versprochen ;).

Follower, die wir sind.

So brechen wir mit Salim auf, folgen seinem Landcruiser und schon bald zeigt sich, dass uns die Kombo Auto (manche würden präzisieren: Pajero) und Trailer limitieren wird. Luft raus, AC/Fan aus, Mittelsperre rein, Traktionskontrolle raus. Los geht’s -berg- dünauf. Schon nach ein paar Metern aufwärts spüre ich, wie wir uns vielmehr eingraben anstatt Höhenmeter zu gewinnen. Ich reisse das Steuer rum und mit letztem Schwung kriegen wir die Kurve abwärts. Die nächsten zwei Versuche veranlassen Salim dazu sich selbst ans Steuer setzen zu wollen. Der Motor dröhnt auf, die Drehzahl erklimmt ungeahnte Höhen – der Pajero jedoch trotz allem nicht. Noch während ich darob werweisse, ob mich der Salim-Fail nun freuen oder vielmehr die Limitation der Kombo beunruhigen soll, findet der Guide eine neue, flachere Route. Wir umfahren das Problem und verdrängen den Sand anderswo. Vorerst. Doch wie ihr wisst, ist das Verdrängen meist keine nachhaltige Strategie.

Fahrtraining für Anfänger ohne Anhänger.

Bei Stellplatz lassen wir den Trailer, Larisa und Jaron zurück. Und fahren Dünen in geometrisch anspruchsvollen Winkeln hoch und runter. Letzteres ohne Probleme, dafür mit ordentlich Adrenalin, ersteres zuweilen erst nach mehreren Versuchen. Doch mit der Zeit entwickle ich ein Gefühl für das nötige Tempo und genügend Ignoranz gegenüber den schampar hohen Drehzahlen (wobei ich sehnlich hoffe, dass Ignoranz nicht die gleichen Folgen wie Verdrängung nach sich ziehen wird). Nach einer Stunde bin ich schweissgebadet, Noam mit dem Beifahrersitz verschmolzen und das Auto in den letzten Zügen. Salim zeigt uns noch die für uns machbare Route durch die Wüste und wir verabschieden uns.

Doch halt, eine Frage noch: „Wie ist das so mit Skorpionen in der Wüste?“ – „Kein Problem,“ meint Salim, „die kommen höchstens im Sommer raus.“

Über das Scheren-Schwanz-Verhältnis, kännsch?

Also gut, dann klettern wir barfuss die Dünen hoch. Unsere vorgängige Skorpion-Recherche hat uns vorsichtig werden lassen. Die kleinen (und hierzulande auch grossen) Dinger haben es wahrlich in sich. In dieser Region leider meist ein sehr potentes Gift. Die gefährlichsten Skorpione der Welt sind im Nahen Osten zu finden. Vorzugsweise in der Wüste. Jedes Jahr sterben weltweit einige Tausend Menschen nach einem Stich, Kleinkinder sind deutlich stärker gefährdet. Je mehr wir über die Tiere lesen, desto allgegenwärtiger erscheinen sie uns (ein Phänomen welcher wir schon mit den Bären in den amerikanischen Rocky Mountains beobachteten). Sie lieben es, sich unter Steinen zu verstecken, im weichen Gestein, im Sand. Ergibt ein potenzielles Habitat auf 99% der Fläche dieser Länder.

Na super. Verlassen wir uns also auf das Wissen der Locals, in diesem Falle Salims. Und unsere UV-Taschenlampe. Denn die nachtaktiven Skorpione erstrahlen unter diesem Licht. Die einzige effiziente Möglichkeit, diese Tiere ausfindig zu machen. Und so wird ein Spaziergang ums Camp zum allabendlichen Ritual. In dieser ersten Wüstennacht glücklicherweise ohne Erfolg.

Was für eine Erfahrung.

Der zweite Tag führt uns tief in die Wüste hinein. Auf eigene Faust. „100 km south, then turn right.“, so die Anweisung Salims. Doch ganz so blauäugig sind wir nicht. Wir machen die Route auf unserem Navi ausfindig und Larisa übernimmt den anspruchsvollen Job als Navigatorin. Die Wüste leert sich (die ersten 10-20km sind sehr beliebt bei touristischen „Desert Camps“ und für Beduinen-Stallungen) und wir erfahren im wahrsten Sinne des Wortes die Magie der Wüste. Abgesehen von der meist ziemlich ebenen Piste nur Sand, kleine, grosse und riesige Ansammlungen von Sand, zuweilen bodennahes, scheinbar vertrocknetes Gewächs sowie ab und an: Kamele.

So macht Wüste Spass. Wüki, im Fall.

Wir erfahren die Wüste.
So richtig.

Nach gut 50 km Stecke – also ziemlich in der Mitte der Wahiba Sands – wird die Fahrt anspruchsvoller. Tiefere Sandpassagen und kleine Dünen verlangen Tempo und Vertrauen. Das Auto leistet zuverlässig, der Trailer gleitet, hüpft und – bremst. Wenn jedes Quentchen Kraft benötigt wird, sind die zusätzlichen 700 kg auf zwei nicht-angetriebenen Rädern zu viel des Guten. Die erfahren wir bei dieser einen Düne. Die unsere Umkehr erzwingt. Allerdings erst nach diversen erfolglosen Anläufen. Auch der hilfsbereite Beduine kann uns nicht helfen. Seinen Tipp allerdings, welcher er nach eingehender Analyse gibt, nehmen wir uns zu Herzen: You better turn, else ⚰️ (bzw. in interkonfessioneller Zeichensprache: Hand schneidet die Kehle durch). Auch ein weiterer Anlauf nach einer ausgedehnten Siesta bringt keinen Erfolg. Etwas gedemütigt kehren wir (ehrlicher: ich) um. Ein paar Ideen habe ich noch, wie wir es allenfalls doch schaffen können. Doch Larisa und vor allem die Verunsicherung in den Augen von Noam und Jaron lassen mich diese für eine spätere Reise aufschieben.

Auf der Überholspur: Die Jamals der Wahiba.

Raus rauf, aber richtig.

Die Demut/Einsicht/Weicheierei wird mit einem fantastischen Stellplatz belohnt. Neben einer ca. 70 Meter hohen Düne bauen wir unser Camp auf und geniessen die Aussicht, die anschliessende Gipfelbesteigung sowie die nur selten durch einen vorbei rasenden Beduinen unterbrochene Ruhe. Einmal mehr: Die Hilfsbereitschaft in der Wüste ist umwerfend. Etwa einmal pro Stunde fährt ein Beduine vorbei (eine optimale Wohlfühl-Frequenz) und erkundigt sich mit Hupen und Blickkontakt, ob alles bestens ist. Das ermöglicht sowohl eine rasche Hilfe im Falle eines Notfalls, als auch ungestörte Toiletten-Sessionen. Beides nicht unwichtig.

Die Sterne Skorpione nie heller leuchten.

Zumal wir (notabene nach dem Erklimmen der Haus-Düne) doch noch skorpionfündig werden – UV-Lampe sei Dank. Und das Scheren-Schwanz-Verhältnis deutet auf ein Besser-nicht-näher-Kennenlernen hin. Ist der Schwanz nämlich dicker oder gleich dick wie die Scheren ist dies ein zuverlässiger Hinweis auf sehr starkes, potenziell tödliches Gift. Ein solcher Skorpion braucht daher die Scheren schlicht nicht als Waffe und hat sich im Laufe der Jahrmillionen (scho, alte Tiere, die sie sind) zurückgebildet. Rasch wird die Schuhe-An-bzw.-Schuhe-hoch-lagern-Verordnung erlassen. Sie hat sich wohl gelohnt. Am nächsten Morgen finden wir gar unter unserem Teppich noch ein solch unangenehm Wesen.

Erwischt. Besser wir ihn als er uns.

Bereit für mehr Sandmeer.

Damit endet unser erstes Wüstenabenteuer. Wir alle dürfen unsere Lehren daraus gezogen haben. Doch glücklicherweise nicht derart, dass wir nun die Querung der Rub al-Khali nicht wagen würden. Ok. Auf dem neuen Highway. Und doch nicht ganz ohne: Mehr als 700 km bis zur nächsten Weggabelung, zum nächsten Dörfchen und gerade mal 2 Tankstellen unterwegs. Wir freuen uns darauf.

Trotz 700km Asphalt - etwas Mystik und Nervenkitzel bleibt. Vermuten wir.