Griechenland
Griechenland stand für mich seit Beginn unserer Reiseplanung wie eine unsichtbare Grenze zwischen Vertrautem und Abenteuer – Sicherheit und Herausforderung. Wäre es nach mir gegangen, so wäre Griechenland Endstation auf unserer ausgedehnten Europareise gewesen. Zum Glück hab ich aber einen Mann, der es versteht, beharrlich für seine Träume einzustehen und mich kontinuierlich ein wenig über meine Komfortzone hinauszubewegen. Ich möchte keinen Tag und kein Erlebnis unserer Reise durch den Nahen Osten missen und doch hab ich mich riesig gefreut, als wir wieder europäischen Boden unter den Füssen hatten. Dankbar, dass wir es alle gesund und reich an Erfahrungen und Einblicken zurück in den sicheren Hafen geschafft hatten. Sogar Bruno kam mit Leichtigkeit und pünktlich, 5 Tage nachdem wir ihn in Haifa abgegeben hatten, in Lavrio an. Nach 30 Minuten im Hafengelände von Lavrio fuhr uns David bereits freudestrahlend entgegen. So einfach kann Verschiffen sein.
Ausserhalb von Europa haben es Vielreiser und Brotesser häufig nicht einfach. Spätestens an der EU-Aussengrenze wird das Brot weich und weiss. Rinde ist ein Fremdwort und Toast das Synonym für Brot. Gerne erinnere ich mich diesbezüglich an die Erzählungen meiner Mutter, wonach sich der Gaumen ihrer kolumbianischen Verwandten in der Schweiz immer geschält hätte, weil sie das harte Brot nicht gewohnt waren. Wie dem auch sei: nach vier Monaten im Nahen Osten konnten wir unser Glück kaum fassen, als wir am ersten Morgen in Griechenland in einer Bäckerei frühstückten. Wie viele Croissant, Pain au Chocolat, Chausson aux Pommes wir verdrückten weiss niemand mehr so genau, aber die Freude beibt unvergessen.
Nachdem wir Bruno in Haifa abgegeben hatten, machten wir uns mit dem Zug auf nach Jerusalem. Schliesslich wollte das israelische ÖV-Netz getestet werden und so fanden wir uns wieder, in einem aus allen Nähten platzenden Zug und gelockerten Coronamassnahmen – sprich Maskenfreiheit. In einem kurzen Moment des inneren Dialogs erinnere ich mich gedacht zu haben, dass es wohl schlauer wäre eine Maske zu tragen. Zu verlockend war aber die Lust nach Normalität und Luft zum Atmen. Die Quittung kam postwendend. Fünf Tage später in Form zweier positiver Schnelltests, einem fiebernden Kleinkind und einem schnuddernden Siebenjährigen. Zum Glück kamen die Symptome bei den Erwachsenen aber erst in Griechenland. Wir hatten bereits auf dem ersten Campingplatz eingecheckt und uns für ein Plätzchen etwas Abseits vom Trubel entschieden. Genau das Richtige, um uns auszukurieren und niemanden mit unseren Viren zu gefährden. Nach drei Tagen war der Spuk ohne Nachwehen überstanden.
Ein erklärtes Ziel für Griechenland war es, Kinder zu treffen, damit Noam und Jaron endlich mit Gleichaltrigen würden spielen können. Auf unserer ganzen Reise durch den Nahen Osten haben wir gerade mal eine einzige Familie aus Deutschland getroffen, die wie wir für längere Zeit mit dem eigenen Reisemobil unterwegs war. Leider kreuzten sich unsere Wege nur kurz und so blieben Noam – bis auf die wenigen spielerischen Kontakte mit einheimischen Kindern – wenig Möglichkeiten, sich mit Seinesgleichen zu verweilen. In Griechenland sollte sich dies ändern und so entschieden wir uns, vorerst aufs wilde Campen zu verzichten und kindsgerechte Campingpätze anzusteuern. Zu unser aller Freude wurden wir zügig fündig und so hatten nicht nur die Kinder sondern auch wir Erwachsenen ihren Spass. Auch wir haben es genossen, nach vier Monaten Ein-, Zwei- oder Viersamkeit andere Gegenüber zum Austausch zu haben. Dass dies schliesslich auf Schweizerdeutsch gelang, hat den Spassfaktor nicht geschmälert. Sogar an das Leben auf einem Campingplatz haben David und ich uns überraschend schnell gewöhnt. Die Warmwasserduschen, die Miele-Waschmaschinen, die Taverne nebenan und der Spielplatz inklusive Spielkameraden haben zugegebenermassen ihren Reiz. So gut unterhalten waren unsere Kinder – entschuligt bitte, Ita und Grosspapa- noch nicht mal beim Besuch der Grosseltern. Den dadurch gewonnen Freiraum haben wir gerne genutzt.
Nach über zwei Wochen am Strand und auf Campingplätzen kam die Rieselust in alter Manier zurück. Richtung Norden war klar. Der Rest offen. Doch nachdem Noam mit David die Sendung mit der Maus zu Olympia gesehen hatte, war die nächste Destination auf der Route festgelegt. Vor Ort angekommen, machten wir uns mit Virtual Reality Brillen ausgerüstet auf zum 3000 Jahren alten Olympia. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie David vor einigen Jahren freudestrahlend mit diesen unförmigen Brillen bei uns zu Hause ankam. Mich hat dies damals wenig berührt und ich kam wohl eher einer Spassbremse gleich, als einem Freudemulitpikator. In Olympia war aber fertig Spassbremse. Zum Glück hat uns der Herr in der Brillen-Vermietung zwei dieser stylischen Gucker empfohlen und so kamen alle auf ihre Kosten. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir beim Anblick dieser alten ‘Steinhaufen’ – Archäologen mögen mir verzeihen – meist wenig bis gar nichts vorstellen konnte. Wären wir nun gänzlich analog durch Olympia geschlendert – mir wären nicht viel mehr als diese paar Säulen im Gedächtnis geblieben. So aber liess sich Olympia vor 3000 Jahren fast richtig erleben. Die ‘Steinhaufen’ nahmen Gestalt an und plötzlich fand man sich im riesigen Zeustempel im Angesicht eben seiner Statue wieder. Noam hat seine Brille nicht aus der Hand gegeben und Olympia richtiggehend aufgesogen. Es war eine Freude, ihm dabei zuzusehen, wie er in einer vergangenen Epoche versank. Ganz ohne Brille ist er dann aber ins bis heute tadellos erhaltene Stadion eingelaufen, um voller Stolz den 200 Meter Lauf zu absolvieren.
Eine Blitzrecherche führte uns zum Limni Trichonida, dem grössten Süsswassersee Griechenlands und einem der schönsten Stellplätze auf unserer Reise. Der See besticht durch seine Sauberkeit und Naturbelassenheit. Gerade mal zwei Schiffe haben wir auf ihm fahren sehen während unseres viertägigen Aufenthalts. Die Zeit verbrachten wir mit Baden und Fischen – letzteres erstmals erfolgreich. Endlich wurde Noams Ausdauer belohnt, sogar mehrfach. Zwei Fische sind am Abend auf unseren Tellern gelandet, weitere vier fanden ihren Weg zurück ins kühle Nass. Einziger Dämpfer: Die Gräteinvasion. Nachdem Jaron seinen ersten Grat verschluckt hatte und diesen erst später am Abend mit einer gehörigen Menge Brot wieder los wurde, verbrachte er die folgenden Tage mit einem leicht theatralischen Husten. Irgendwie schien er Gefallen an der schrillen Geräuschkulisse gefunden zu haben.
Wir hatten noch nie davon gehört und weder Schneeberge noch Braunbären mit Griechenland asoziiert. Die Region in Nordgriechenland kam eher zufällig in unser Reiseprogramm, als wir uns entschieden, die schwebenden Klöster in Meteora zu besuchen. Die gebirgige, alpenähnliche Landschaft besticht durch ihre Abgeschiedenheit, ihre Weite und die Naturbelassenheit. Wir fühlten uns zweilen weiter weg von der Zivilisation als in Saudi Arabien. Es finden sich zwar hier und da kleine, vollständig aus Stein erbaute Dörfer, aber noch nicht mal Wasser lässt sich einkaufen. Geschweige denn eine Tankstelle vorfinden. Für eine Distanz von 40 Kilometer Luftlinie fährt man gerne mal zwei bis drei Stunden. Gerade Streckenabschnitte. Fehlanzeige. Dafür ist die Region ein El Dorado für Off-Road- Liebhaber. Unser Pisten-Abenteuer führte uns nach zwei Stunden leider in ein Gewitter und eine Sackgasse. Allerdings wurden wir – kaum hatte die Fahrt begonnen – mit einem Besuch von Meister Petz belohnt. 200 Meter neben der Strasse sass er, friedlich in einem Hang aus Geröll und Gras und liess sich eine knappe Stunde unbeirrt beobachten. Nordgriechenland werden wir definitiv wieder besuchen und empfehlen es jedem, der sich in Griechenland überraschen lassen will.
Die schwebenden Klöster hatten uns unverhofft in eine wunderschöne Gegend Griechenlands gebracht und sorgten selber für einen weiteren Höhepunkt auf unserer Reise. Auf riesigen Felsen thronen diese Bauten deren Anfänge im 12. Jahrhundert zu finden sind. Bereits ab dem 9. Jahrhundert wurden in dieser Gegend Ermitagen als Gebetsstellen und Zufluchtsorte für Mönche in Höhlen und Felsen errichtet. Die Höhe sollte die Mönche näher zu Gott bringen. Heute lassen sich noch sechs der insgesamt 24 Klöster besichtigen und es erstaunt, dass dieses UNESCO Weltkulurerbe vergleichswiese wenig bekannt scheint.
Auf all die Highlights unserer Reise folgten gegen Ende auch ein paar Downlights, bei welchen wir jedoch mit einem blauen Auge davon gekommen sind. In weniger als 24 Stunden haben wir beinahe unsere Drohne verloren (sie tauchte nach 12 Stunden wieder auf), Bruno während der Fahrt auf der Strecke liegen lassen und den Biss eines mächtig aggressiven Hirtenhunden eingefangen. Alles verlief dank einer gehörigen Portion Glück und einem funktionierenden Gesundheitssystem glimpflich und so entschieden wir uns, zwei Wochen vor Ende unserer Reise den Ball flach zu halten. Demütig und dankbar zu sein für das unvergessliche Abenteuer und die letzten sechs Monate. Das Abenteur Balkan werden wir ein andermal unter die Räder nehmen. Auf dieser Reisen waren wir dankbar für die Fähre, welche uns unaufgeregt und rasch nach Ancona brachte und ein paar letzte erholsame Tage am Gardasee ermöglichte.